Wie die Nürnberger City wieder attraktiv werden könnte


Früher war ich fast jeden Samstag in der Nürnberger Innenstadt. Nicht nur zum Shoppen, sondern einfach zum Gucken, Schlendern und was erleben. Und gefühlt traf man da immer jemand, den man kannte – zufällig, weil sowieso alle anderen auch samstags durch die City flanierten. Es war ein netter Wochenendzeitvertreib. Und heute? So recht scheint niemand mehr gerne in die Stadt zu gehen und das schlägt sich in vielen Leerständen wider. Diese Leerstände wiederum machen einen Besuch in der Innenstadt noch weniger attraktiv. Ein Teufelskreis. Aber das muss nicht so sein. Während meiner Städtetrips in Europa und USA habe ich erlebt, was andere Städte so tun, um die Innenstädte trotz Online-Shopping-Trend wieder attraktiver zu machen. Davon und von meinen anderen Ideen für eine tolle Zeit in der City berichte ich in den Nürnberger Nachrichten vom 5. April 2024: Nürnbergs Goldgrube – Eine professionelle Shopperin weiß, wie die City wieder zum Einkaufs-Paradies werden könnte. (Paywall)

Karin Sievers von Stil in Nürnberg Stilberatung unterwegs in der Nürnberger Innenstadt mit der Redakteurin Ngoc Nguyen von den Nürnberger Nachrichten
Im Gespräch mit der NN-Redakteurin Ngoc Nguyen.

Konzepte, die ich in anderen Großstädten weltweit gesehen habe und mir für Nürnberg wünschen würde:

Cafés mit kostenlosem (und schnellem!) Internet für remote Arbeit

Meine Tochter lebt und forscht in New Haven, USA. Wenn ich sie dort besuche, arbeite ich am liebsten in einem der vielen Cafés mit free wifi, also kostenlosem Internet. Klar könnte ich auch vom WLAN meiner Tochter in ihrem Haus aus arbeiten. Aber ich liebe es, in Cafés zu arbeiten. Denn dort bin ich unter Menschen – die alle ebenfalls vor ihren Laptops arbeiten. Denn die Cafés in den USA, vor allem in Universitätsstädten, sind auf remote arbeitende Menschen vorbereitet. Nicht nur mit kostenlosem High Speed Internet, sondern auch mit Stromversorgung an Tischen und wechselndem Menü im Laufe des Tages. Morgens konnte ich im Café frühstücken, mittags gab es Lunch. Wie gerne würde ich in der Nürnberger Innenstadt solche Cafés haben! Aber Fehlanzeige. Wer bei uns remote arbeitet ist daheim ans Homeoffice gefesselt. Eine vertane Chance für die Gastronomie und für eine lebendige Innenstadt.

Es gibt sogar Banken, die in den USA den Trend zum Arbeiten in Cafés aufgreifen und kurzerhand ihre Filialen in Cafés mit kostenlosem Internet umgewandelt haben. Im hinteren Bereich des Cafés kann man sich in Finanzfragen beraten lassen. Muss man aber nicht. Man kann auch einfach einen Kaffee trinken, eine Kleinigkeit essen und bei Bedarf im kostenlosen WLAN surfen oder arbeiten. Wow, wie großartig wäre es, wenn die riesigen – und meist leeren – Bankfilialen in der Nürnberger Innenstadt zu hippen Cafés würden?

Erlebnis-Touren statt Leerstände: Wie wär’s mit einer Lebkuchen-Experience?

Im ursprünglichen Brauereigebäude von Heineken in Amsterdam wird seit Jahrzehnten schon nichts mehr gebraut. Die Produktion ist längst in große, moderne Gebäude außerhalb der Innenstadt verlegt. Aber statt aus dem riesigen Brauereigebäude in der Innenstadt einen Leerstand zu machen, befindet sich dort nun die Heineken Experience. Die Heineken Experience ist eine interaktive Tour durch die ehemalige Brauerei und ein absoluter Publikumsmagnet. Man hat die Möglichkeit, die Geschichte, den Brauprozess und das Erbe der Marke Heineken kennenzulernen. Aber keine Sorge, das ist nicht einfach ein langweiliges Museum. Vielmehr nutzt die Heineken Experience moderne Technologien, einschließlich interaktiver Displays, Videos und virtueller Realität, um die Geschichte der Brauerei und den Brauprozess anschaulich darzustellen. Ein Highlight der Tour ist die Bierverkostung, bei der Besucher verschiedene Heineken-Biere probieren können. Oft gibt es auch eine Demonstration, wie man das perfekte Heineken-Bier zapft. Besucher können an interaktiven Stationen selbst erleben, wie es ist, ein Brauer zu sein, z.B. durch das Rühren von Malz oder das Abfüllen von Bierflaschen. Die Heineken Experience ist eine Touristenattraktion und ich frage mich: Wo ist in Nürnberg die Lebkuchen Experience? Oder die Bratwurst Experience? Oder die Kaiserburg Experience? Warum nicht aus dem riesigen Kaufhof-Leerstand was großartiges gestalten und damit die Innenstadt lebendiger machen?

Showrooming: Ich will nur schauen und dann online kaufen

Seit vielen Jahren kaufe ich nur auf eine Art und Weise bei Zara ein: ich laufe durch den Laden, scanne mit der Zara App interessante Teile ein und lege sie in meinen virtuellen Warenkorb. Und wenn ich den Laden dann verlasse, klicke ich auf „Jetzt bestellen“ und die Klamotten werden über den Onlineshop an mich zu Hause geliefert. Kein „Sorry, die Größe ist leider nicht da. Aber vielleicht in einer anderen Filiale“ und auch kein Anstehen vor vollen Umkleidekabinen „Sorry, nur drei Teile mit in die Kabine nehmen“. Und erst recht kein Anstehen an der Kasse und anschließendem Schleppen schwerer Taschen durch die gesamte Innenstadt. Zu Hause kann ich alles in Ruhe probieren und auch problemlos wieder zurücksenden, denn inzwischen gibt’s DHL Paketboxen an nahezu jedem Supermarkt. Das Konzept, bei dem Kundinnen Produkte im Laden ansehen, aber den Kauf online abschließen, wird als Showrooming bezeichnet. Dabei kann man die Produkte im Laden ansehen, anfassen und ausprobieren, um sich von der Qualität und den Eigenschaften zu überzeugen. Der eigentliche Kauf erfolgt online, was oft eine größere Produktauswahl und Verfügbarkeit bietet. Auch im Mannheimer Shop von YouTube Star und Kochbuch Autorin Sally gibt’s den Großteil der Ware nur zum Anschauen und Ausprobieren. Gekauft wird über den Webshop. Wunderbar, denn wer will schon eine Küchenmaschine durch die Gegend tragen.

Ich glaube: wenn’s mehr dieser Showrooming Möglichkeiten gäbe, wäre die Nürnberger Innenstadt auch wieder attraktiver. Ich würde auf jeden Fall häufiger in die City gehen, wenn ich wüsste, dass ich im Falle eines Kaufs nicht zig Taschen herumschleppen muss – und einen eventuellen Umtausch einfach über eine Postbox regeln kann statt erneut in die Innenstadt fahren zu müssen.

Von allem ein bißchen statt zig Filialen der selben Kette

Was liebe ich daran, in anderen deutschen Großstädten unterwegs zu sein? Na klar, die Vielfalt an Labels, die man in der Nürnberger Innenstadt vergeblich sucht! Warum, um Himmels willen, haben wir in Nürnberg mehrere Filialen der gleichen Kette (ja, H&M, ich schaue dich an) statt etwas mehr Abwechslung? Wo sind Bershka, & Other Stories, Monki, Massimo Dutti und all die anderen?

Fast Fashion mag umstritten sein, aber sie dominiert nun mal den Modemarkt – schließlich hat nicht jeder einen Goldesel zu Hause. Und übrigens, ständig wechselnde Kollektionen gibt’s auch im hochpreisigen Segment und bei Öko-Mode. Deshalb vermisse ich hier auch Primark, über den viele die Nase rümpfen. Der nächste Primark Store? Im viel kleineren Ingolstadt, aber nicht in Bayerns zweitgrößter Stadt Nürnberg. Wer schon einmal in den riesigen Primark-Läden in Berlin oder Köln war, weiß: da steppt der Bär! Primark zieht die Massen an und würde sicherlich auch die Nürnberger Innenstadt beleben.

Nur die großen Ketten mit fetten Umsätzen können sich die Mieten in den Innenstädten leisten. Das ist nun mal die Realität, weshalb kleine Läden immer seltener werden und wenn, dann versteckt in Seitenstraßen. Die großen Haupteinkaufsstraßen gehören eben den Ketten, ob man es mag oder nicht. Aber bitte, noch eine H&M Filiale brauchen wir wirklich nicht in Nürnberg. Ein bisschen mehr Vielfalt wäre doch wunderbar!

Entspannt ankommen und sich willkommen fühlen

Ich habe die letzten Jahrzehnte in Nürnberg gelebt und konnte entweder gemütlich in die City spazieren oder nur ein paar U-Bahn-Stationen fahren. Jetzt, da wir im idyllischen Umland wohnen, sind wir auf die Deutsche Bahn oder das Auto angewiesen. Meistens nehmen wir das Auto. Aus Gründen. #thankyoufortravellingwithdeutschebahn

Da wir mit einem Elektroauto unterwegs sind, möchten wir während des Shoppings in der Innenstadt unser Auto laden. Aber Fehlanzeige! Es gibt viel zu wenige Ladesäulen in Nürnberg. Ich muss immer schmunzeln, wenn der Bürgermeister mal wieder eine einzige Ladesäule mit viel Tamtam einweiht. Während sich die Stadtverwaltung selbst feiert, wissen alle E-Auto-Besitzer: Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Also muss man auf einen ganz normalen Parkplatz ausweichen, und auch hier wird man herb enttäuscht. Veraltete Parkhäuser mit steinzeitlichen Kassenautomaten vermiesen einem das Ankommen in Nürnberg. Nur für die Parkhäuser in Nürnberg habe ich immer ein paar Münzen im Auto. Denn zu oft musste ich erleben, dass man in Parkhäusern weder mit Karte noch mit Geldscheinen zahlen kann. Nur Münzen werden akzeptiert, weil „Hier nur Barzahlung. Automat wechselt nicht.“ Bitte was?!

Auch hier lohnt ein Blick ins Ausland, zum Beispiel nach Holland. Dort gibt es vielerorts mehr Parkplätze für E-Autos als für Verbrenner. Und bei meiner letzten Reise an die Ostküste der USA habe ich festgestellt, dass man dort super zuverlässig mit Zügen aus den Vororten in die Metropolen kommt und dann ganz entspannt ohne verwirrendes Tarifsystem mit den Öffis fahren und einfach mit dem Handy zahlen kann. Ah, was für ein Traum, wenn einem das Ankommen in der City leichtgemacht wird!

Mein pimp my Innenstadt Fazit

Es gibt natürlich noch viel mehr Ideen, wie man die Innenstadt attraktiver gestalten könnte. Zum Beispiel indem man die gesamte City zur Nichtraucher-Zone erklärt (so wie New York City das getan hat) oder indem man mehr Grün und mehr Schatten bietet – was wohl nun geplant ist.

Die Nürnberger Innenstadt könnte zu einem lebendigen Treffpunkt werden. Dazu braucht es innovative Ansätze und mutige Veränderungen. Cafés mit kostenlosem WLAN, die remote Arbeiten ermöglichen, wären ein erster Schritt. Erlebnis-Touren wie eine Lebkuchen Experience könnten Leerstände füllen und Touristen anlocken. Showrooming-Konzepte würden das Shopping-Erlebnis modernisieren und die Innenstadt wieder attraktiv machen.

Eine größere Vielfalt an Geschäften, statt zig Filialen der gleichen Ketten, würde ebenfalls zur Belebung beitragen. Schließlich ist ein angenehmes Ankommen und Parken entscheidend – ausreichend Ladesäulen für E-Autos, moderne Parkhäuser und funktionierende Öffis (man darf ja träumen) wären ein Muss.

Mit ein paar frischen Ideen könnte Nürnberg seine Innenstadt wieder zu einem beliebten Ziel für Bewohner und Besucher machen. Es braucht nur den Mut, neue Wege zu gehen und sich von erfolgreichen Beispielen aus anderen Städten inspirieren zu lassen. Was sind Deine Ideen für eine lebendige Nürnberger Innenstadt? Schreib’s in die Kommentare.

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