Wie zuckerfreie Ernährung mein Leben verändert hat (Teil 2)


Goodbye Zucker, mein 2. Versuch
Zuckerfreie Ernährung die Zweite.

OK, mein erster Versuch zuckerfrei zu leben verlief ja eher so lala. Trostlose, zuckerfreie Weihnachten. Gefühlt nur fünf Lebensmittel, die ich essen durfte. Und Cookie-Monster-Fressattaken, so bald ich mir den Zucker wieder erlaubte. Erfolg sieht anders aus.

Aber mein Ehrgeiz war geweckt. Irgendwie musste es ja gehen. Generationen vor uns haben ja auch nahezu zuckerfrei gelebt. Im Juni 2016 startete ich also meinen zweiten Versuch mit zuckerfreier Ernährung und – Achtung Spoiler – dieser zweite Versuch ist so erfolgreich, dass er bis heute (ein Jahr später) anhält. Was ich diesmal anders gemacht habe? Ich hatte einen Plan.

Aber bevor ich loslege, eine kleine Info, was Dich in diesem 2. Teil meines Erfahrungsberichts erwartet: Es gibt Infos dazu, was ich einkaufe und was nicht, wie ich koche und wie ich auswärts essen und zuckerfrei unter einen Hut bekomme. Und klaro, gibt’s ein bißchen Hintergrundinfos zu allem, was ich in dem Jahr über zuckerfreie Ernährung gelernt habe. Selbstverständlich beantworte ich auch die Frage, die mir am häufigsten gestellt wird: Welche Nebenwirkungen hatte der Zuckerentzug?

Im dritten und letzten Teil meiner Erfahrungen mit der zuckerfreien Ernährung habe ich alles zusammengetragen, was mir beim Umstieg auf ein Leben ohne Zucker geholfen hat: Inspirationen, Hintergrundinfos, Bücher, Adressen, Lebensmittel, Küchenutensilien und viele weitere praktische Hilfen. Wenn Du also beim Lesen des folgenden Artikels irgendwann mal denkst: „Da würde ich gerne mehr drüber wissen“, dann sieh‘ Dir Teil 3 der Serie an.

Hast Du bereits Erfahrungen mit dem Zuckerentzug? Schreib’s in die Kommentare! Ich bin gespannt auf Dein Feedback zum Thema „Goodbye Zucker“!

Zuckerfrei kochen oder wie mir eine Australierin die Kochkünste meiner Großmutter lehrte

Den Plan für mein zuckerfreies Leben kaufte ich am 21. Juni 2016 für 17,95 Euro bei Amazon. Damals wusste ich das noch nicht. Damals dachte ich noch, ich kaufe mir halt einfach ein Kochbuch. Irgendwas mit ohne Zucker. Aber Simplicious von Sarah Wilson ist viel mehr als nur ein Kochbuch. Es ist eine Anleitung, wie man sich ohne Zucker und andere industriell hergestellte Lebensmittel ernähren kann. Und wie man gesunde Zutaten auf Vorrat zubereitet, so dass sie zur Verfügung stehen, wenn man sie braucht. Denn gesund essen hin oder her, in meiner Welt mit Job, Familie & Co. muss die Nahrungszubereitung schnell gehen. Wer außer Jamie Oliver hat heutzutage schon Zeit für ein Abendessen stundenlang in der Küche zu stehen? Eben.

Zuckerfreie Ernährung
Meine Bibel für zuckerfreie Ernährung gibt’s aktuell nur auf Englisch.

Dennoch stand ich erstmal stundenlang in der Küche. Denn wenn man nicht auf industriell hergestellte Zutaten zurückzugreifen will, muss man alles erstmal von Grund auf selbst zubereiten. Alles, was ich in dieser Zeit „produzierte“, war dann zwar mehrere Wochen oder Monate haltbar, aber es musste eben erst mal gemacht werden. So verbrachte ich also die ersten Tage jede freie Minute in der Küche und bereitete Zutaten zu. Genau, nur Zutaten, keine Mahlzeiten. Leckere schnick-schnack-zuckerfrei Gerichte würde ich erst zaubern können, wenn ich ausreichend Zutaten vorrätig hatte. Ich knabberte also erstmal weiterhin tapfer meine langweiligen zuckerfreien Brote mit Nussmus. Klingt jetzt nicht so ermutigend? Bleib bei mir, das Abenteuer beginnt!

 

Die Käserei in meiner Küche

Mein erstes Experiment war selbst gemachter Frischkäse. Bisher kannte ich den nur als Philadelphia in einer Plastikpackung. Wahlweise mit Kräutern oder Milka-Schokolade zugesetzt. Dass man Frischkäse selbst herstellen kann, wie das geht und warum man das tun sollte, war mir schleierhaft. Schließlich hat blanker Philadelphia ja gar keinen Zucker drin. Warum also selber machen? – Wegen der Molke, dem Nebenprodukt der Frischkäsezubereitung.  Die Molke würde ich später immer wieder für die Herstellung weiterer Zutaten beziehungsweise zum Fermentieren brauchen (Ja, das mit dem Abenteuer war nicht übertrieben).

Meine Küche wandelte sich also für kurze Zeit zur Käserei: über der Arbeitsplatte baumelte ein zusammengebundenes Tuch mit einem Kilo Joghurt drin und drunter fing eine Schüssel die abtropfende Molke auf. Yep, es war so seltsam wie sich das hier liest. Aber es sollte nicht das einzige bleiben, das ich künftig selbst herstellte, statt es fertig im Supermarkt zu kaufen. Nach einem Tag ist aus dem Joghurt im Tuch Frischkäse entstanden, der sich einen Monat im Kühlschrank hält. Übrigens saulecker, sorry Philadelphia. Die entstandene Molke kam in kleinen Portionen in den Gefrierschrank, um sie bei Bedarf zum Fermentieren verwenden zu können.

Wie man ein Brot kauft – zuckerfreier Spießrutenlauf im Biomarkt

Aber keine Sorge, man muss nicht alles selbst herstellen um zuckerfrei zu leben. Manches kann man auch weiterhin industriell produziert kaufen. Allerdings finden sich in den Regalen kaum Produkte, die nicht irgendeine Zuckerart zugesetzt haben. Und ich rede nicht von so offensichtlichen Zuckerbomben wie Marmelade, Fruchtjoghurt oder Nutella. Sondern von Brot, Wurst, Essig und Rahmspinat, also Produkten, die man erst mal nicht mit Zucker in Verbindung bringt. So gut wie allen industriell hergestellten Lebensmitteln wird Zucker zugesetzt. Auch den deftigen, auch den scharfen, auch den salzigen. Auch denen aus dem Bioladen. Dass der Zucker dort Vollrohrzucker, Rohrohrzucker oder Agavendicksaft heißt, ist nichts anderes als eine Art green washing. Oder anders gesagt: auch wenn ich dem Zucker hübsche Hipster-Namen gebe, es ist und bleibt Fruktose – der Feind, remember?

In diesem Zusammenhang bin ich kürzlich über ein kurzes Video von 1954 gestolpert: „Zucker ist gesund und macht schlank“ wurde dort beworben. Köstlich.

Heute belächeln wir die Naivität dieses Werbespots. Aber das Prinzip von damals funktioniert auch heute noch: Uns wird Zeug als zuckerfrei (und deshalb gesund) verkauft, nur weil kein weißer Haushaltszucker drin ist. Aber wer sich die Mühe macht, die Zutaten zu prüfen, erkennt, dass hinter dem leckeren vegan-raw-healthfood-Hype viel zu oft Zuckerbomben stecken. Massig mit Trockenfrüchten, Agavendicksaft, Kokoszucker, Honig, Ahornsirup oder Apfeldicksaft gesüßt. Das klingt zwar wahnsinnig gesund, hip und nach „wholefood“, ist aber am Ende des Tages kein bißchen besser als Haushaltszucker aus dem „Zucker ist gesund und macht schlank“ Video von 1954.

Viele Brote werden mit Süße versehen
Zuckerfreies Brot? Schwer zu finden…

Selbst bei der Brot- und Wursttheke im Bioladen bleibt man vom Zuckerzusatz nicht verschont. Auf meine Frage: „Ist in den Pfefferbeißern Zucker drin?“ kam ein beherztes „Ja, a bisserle – für den Geschmack“ von der Verkäuferin hinter der Wursttheke einer Biomarkt-Kette. Und an der Brottheke mit einer riesigen Auswahl an „gesunden Biobroten“, prüfte die Verkäuferin geduldig jede Zutatenliste, bis sie endlich ein einziges (!) Brot fand, das mit Sauerteig gemacht war und dem keine Süße in irgend einer Art und Weise zugesetzt war.  Mein Fazit: Bio ist leider kein Garant für gesunde Ernährung.

Total baff war ich, als ich lernte, dass Molkereien Joghurts Milchzucker in Form von Magermilchpulver zusetzen dürfen, ohne dass das deklariert werden muss. Dieser Zusatz von Magermilchpulver erhöht den Milchzuckeranteil im Naturjoghurt. So erklärt sich, dass der Zuckergehalt bei verschiedenen Naturjoghurts stark schwankt. Meist ist es der cremige, besonders leckere, etwas teurere Naturjoghurt, dem massig Milchpulver zugesetzt wurde und der dann erhöhte Zuckerwerte aufweist. Die einzige Möglichkeit festzustellen, ob der Milchzuckergehalt eines Naturjoghurts über dem natürlichen Wert liegt, ist auf der Nährstofftabelle den Zuckergehalt zu prüfen. Heftig, oder?

Inzwischen kaufe ich nur noch sehr wenige industriell hergestellte Lebensmittel. Statt dessen sind Wochenmarkt und gut sortierte Gemüsehändler mein Hauptnahrungslieferant geworden. Zum Supermarkt und in den Bioladen gehen wir trotzdem noch, denn der Rest der Familie mag nicht auf den Junk die Schätze verzichten, die die Lebensmittelindustrie für sie designed hat. Ich wiederum vermisse nichts von all dem mehr.

Gibt es Nebenwirkungen beim Umstieg auf zuckerfreie Ernährung?

Simplicious: zuckerfrei leben
Eines der Gerichte aus Simplicious: links Rezept, rechts nachgekocht

Oh ja! Und zwar heftigst! Allerdings allesamt positiv. Meine Konzentrationsfähigkeit ist massiv gestiegen. Dieser „Brain Fog“, der mich früher oft mehrmals am Tag heimsuchte ist verschwunden. Endlich wieder durchgehend klar denken, ohne das Gefühl, dass der Kopf zeitweise in Watte gepackt ist. Insgesamt ist mein Energielevel gestiegen und ich verspüre nicht mehr den Wunsch täglich Mittagsschlaf machen zu wollen.

Das ist sicherlich auch drauf zurückzuführen, dass mein Eisenwert (Ferritin/Eisenspeicher) von ehemals 5 auf 51 gestiegen ist. Und zwar ohne Eisentabletten, sondern einfach durch zuckerfreie Ernährung. Weiterer Effekt: Auch wenn es nicht meine Intention war, habe ich ein paar Kilo abgenommen. Und zwar obwohl ich die Mengen nie eingeschränkt und immer so viel gegessen habe, wie ich wollte. Wenn ich genauer drüber nachdenke: Ich glaube, ich habe in meinem zuckerfreien Jahr sogar mehr gegessen als zuvor.

Im Screenshot von Apple Health sieht man richtig gut den Gewichtsverlauf (und meine Unsportlichkeit…). Der erste Gewichtsknick nach unten war mein erster Versuch auf Zucker zu verzichten. Wie wir wissen endete das kläglich mit einem Rückfall und der Verwandlung in ein zuckersüchtiges Marzipanschweinchen. Entsprechend ging das Gewicht ab Jahreswechsel stetig rauf. Im Juni startete ich dann mein zweites, bis heute andauerndes Goodbye Zucker Projekt. Trotz viel essen und kein Sport verlor ich dadurch wieder an Gewicht. Wie gesagt, Abnehmen war nicht meine Intention. Ich habe Normalgewicht und wir reden hier auch nur von Schwankungen von wenigen Kilo. Ich finde es nur super interessant, wie man sich mit Gemüse, Fetten und Proteinen sattessen und gleichzeitig abnehmen kann – allein durch Zuckerverzicht. Wohl gemerkt, ich habe mehr gegessen als früher.

Gewichtsabnahme durch Zuckerverzicht
Mein Gewicht während der zuckerfreien Zeiten

Ja und sonst? Hatte ich nicht irgendwelche schlimmen Entzugserscheinungen? Naja, nach etwa einer Woche ohne Zucker hatte ich plötzlich extrem Lust auf Süßes. Meine Gedanken drehten sich um Eis und Schokolade. Zu der Zeit aß ich nicht mal Obst, um auch wirklich von der Droge runterzukommen. Aber ich fragte mich, ob ich nicht doch ein Stückchen Obst essen sollte. Nur ein kleines. Nur damit ich nicht mehr an die Schokolade denke. Man kennt das. Aber zum Glück blieb ich standhaft und machte mir lieber einen Quit-Sugar-Smoothie (ohne Obst). Das half erstmal und nach dem Abendessen war der Spuk vorbei. Alles in allem also wirklich kein dramatischer Entzug. Nikotinentzug und Koffeinentzug waren da viel, viel schlimmer.

Anfangs fand ich’s schade, bei Grillparties keinen Kuchen und kein Eis zu essen. Und es fiel mir schwer. Aber in der Anfangsphase des Zuckerentzugs ist es wie bei trockenen Alkoholikern: alles oder nichts. Also hielt ich mich an das zuckerfreie Zeug vom Buffet.

Inzwischen stört es mich kein bißchen, wenn andere neben mir Süßes, Kuchen oder Eis essen. Ich verspüre keinen Wunsch nach Süßem mehr. Naja ok, wenn ich Jelly Beans und Gummibärchen sehe, schwelge ich kurz in der Erinnerung, wie gut sie mir früher geschmeckt haben. Aber das war’s dann auch. Von psychischer Folter durch Zuckerentzug keine Spur.

Neulich habe ich tatsächlich mal (aus Solidarität) ein Eis gegessen. Zum Glück bin ich inzwischen schon so zuckerentwöhnt, dass ich danach keine zurück-auf-Droge-Heißhungerattake mehr hatte. Und ich fand’s auch einfach nicht so lecker. Denn mit der Zeit gewöhnt man sich an weniger Süße und dann schmeckt Süßes einfach nicht mehr so gut. Inzwischen finde ich einen Smoothie mit einer ganzen Banane fast zu süß und verwende lieber nur eine halbe. Mein Geschmacksinn ist zu einer Art Zuckerdetektor geworden. Und dieser Detektor schlägt meist dann an, wenn wir im Restaurant essen…

Essen gehen: Zuckerzusatz für den Umsatz

Die ersten Monate meines zuckerfreien Lebens fragte ich in jedem Restaurant und Schnellimbiss nach dem Zuckerzusatz. Besonders in Erinnerung blieb mir die Antwort in einem angesagten Thai-Restaurant hier in Nürnberg: „Wir können alle Speisen auch ohne Zucker zubereiten.“ Oder anders ausgedrückt: JEDEM Gericht, nicht nur dem Nachtisch, ist Zucker zugesetzt.

Zuckerfreie Ernährung unterwegs ist nicht ohne
Zuckerfrei im Restaurant? Schwierig.

Aber das ist nicht nur beim Thai so. Egal ob im Burger-Laden, bei meinem liebsten Currywurst-Imbiss, im hippen Health Food Restaurant, in der fränkischen Gastwirtschaft oder in der gehobenen Küche: gesüßt wird überall und fast alles. Ich kann’s den Köchen und Betreibern nicht verübeln. Denn wir alle sind ja so sehr an Zucker gewöhnt, wahrscheinlich würde es den meisten Gästen ohne Zuckerzusatz nicht schmecken. Und wer will schon ein schlecht besuchtes Restaurant, Gaststätte oder Imbiss? Inzwischen weiß ich ganz gut, was ich auswärts bestellen kann, um zumindest die heftigsten Zuckerfallen zu umschiffen. Denn mir geht’s nach einem Jahr ohne Zucker umgekehrt: Mir schmeckt’s gezuckert nicht mehr.

Ich halte mich also an Gerichte, die aus der Küche meiner Großeltern entsprungen sein könnten. Möglichst simpel mit wenigen Zutaten, so dass ich auf einen Blick identifizieren kann, was vor mir liegt. Heute esse ich lieber einen Braten als ein asiatisches Dinner mit zig Zutaten und gezuckerter Marinade. Versteh‘ mich nicht falsch, ich liebe Asiatisch und Stir-Fries. Aber nur noch, wenn ich selbst entscheide, in welcher Soße das ganze mariniert wird. Überhaupt meide ich soweit möglich alle Soßen und Marinaden. Denn darin versteckt sich der Zucker. Deshalb bestelle ich Salate inzwischen ohne Dressing und bitte um Essig und Öl – in der Hoffnung, dass kein Balsamico (15 g Zucker pro 100 g), sondern Apfelessig (0,01 g Zucker pro 100 g) gereicht wird. Generell sehe ich zu, dass ich eine hohe Nährstoffdichte auf meinen Teller bekomme. Also: Grünzeug, statt Kohlehydrate. Und da sind wir schon direkt bei der Frage:

Ja und was genau ißt Du jetzt?

Jeden Tag Gemüse. Zu jeder Mahlzeit.
Iss Gemüse, Baby!

Gemüse. Tonnen davon. Außerdem Fette und Proteine.

Gemüse ist keine Überraschung, oder? Nur die Menge und Vielfalt an Gemüse in den Rezepten, hat mich anfangs überrascht. Und, dass es zu jeder Mahlzeit Gemüse gab. Auch zum Frühstück.

Ganz schön geschluckt habe ich, als ich alles, was ich über Fette gelernt hatte über Bord schmeißen sollte. Weg mit den wertvollen mehrfach ungesättigten Fetten, die ich früher völlig überteuert im Bioladen kaufte. Leinöl zum Beispiel. Das ist so instabil, dass es im Kühlschrank gelagert werden muss, um nicht ranzig zu werden. Ich hatte mir noch nie darüber Gedanken gemacht, dass es ja in meinem Körper deutlich über Kühlschranktemperatur erhitzt werden würde und dann vielleicht doch nicht so gut für mich ist. Auch kein Sonnenblumenöl mehr. Statt dessen verwende ich nun gesättigte und einfach gesättigte Fette: Kokosöl, Nussöl, Olivenöl und Butter. Mein altes Ich hätte mir eine Standpauke über gesunde und ungesunde Fette gehalten. Mein heutiges Ich fühlt sich trotzdem viel besser.

Proteine, oder: Mein Name ist Karin und ich esse Tiere

Du ahnst es schon. Das wird jetzt eher nicht vegan. Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte sind jetzt (wieder) Teil meiner Ernährung. Und nachdem mir die zuckerfreie und protein-/fettreiche Ernährung so gut tut, wurde mir klar, warum mich mein veganes Experiment damals nicht überzeugt hat – obwohl es super lecker war. Die veganen Rezepte, nach welchen ich früher gekocht hatte, waren voll Fruktose. Und dazu ziemlich fettarm.

Bio-Huhn für die zuckerfreie Suppe
Mein erstes selbst zubereitetes Suppenhuhn

Das Ergebnis: Mit veganer Ernährung fühlte ich mich nie so richtig satt und zufrieden. Sehr schnell nach den Mahlzeiten hatte ich wieder Hunger. Mit etwas Fleisch, Fisch, Eiern oder Milchprodukten in meinen Mahlzeiten habe ich das Problem nicht. Vielleicht gibt’s die zuckerfreie Ernährung auch vegan. Ich habe bisher jedoch kein überzeugendes Konzept für vegane, fruktosefreie Ernährung finden können. So sehr ich auch mit der veganen Lebensweise sympathisiere, mein Weg zur zuckerfreien Ernährung beinhaltet tierisches Eiweiß aus biologischer Erzeugung und nachhaltiger Fischerei.

Dennoch hat sich etwas geändert in meinem Fleisch- und Fischkonsum. Ich muss zugeben, früher habe ich kaum auf die Herkunft von Fisch geachtet. Also abgesehen von dem latent schlechten Gewissen, wenn ich Fisch kaufte. Wegen der Überfischung und so. Jetzt esse ich kleine, sich schnell vermehrende Fische wie Hering oder Sardine, die zudem besonders fettreich sind. Gelegentlich aber auch Lachs und Tunfisch aus nachhaltiger Fischerei.

Auch beim Fleisch gab’s viele Experimente für mich. In Simplicious konzentrieren sich die Rezepte auf nicht so geläufige Teile des Tiers – die ich vorher nie gegessen, geschweige denn zubereitet hatte. Außerdem gibt’s Rezepte für all das, was ich früher weggeworfen und keines Blickes gewürdigt hätte: Knochen, Hähnchenhaut, Innereien, Gräten und Fischhaut. Krass, ich weiß. Und glaub‘ mir, NIE IM LEBEN hätte ich gedacht, dass ich Küchenabfälle mal als kostbaren Nährstofflieferant betrachten würde. Aber es fühlt sich natürlicher und richtiger an, das ganze Tier zu verwerten, statt einen Großteil davon wegzuschmeißen. Denn wenn ein Hähnchen kein hübsch zugeschnittenes, in Plastik eingeschweißtes Filet ist, sondern ein echtes, totes Tier bekommt man Respekt vor dem Leben dieses Huhns. Wenn es schon sterben musste, dann soll nichts von ihm verschwendet werden. Und dann ist man auch schnell beim Thema Nachhaltigkeit und der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung.

Nachhaltigkeit in der zuckerfreien Ernährung

Von den positiven Effekten der zuckerfreien Ernährung hatte ich ja schon oben berichtet. Hier noch ein weiterer: man produziert weniger Müll. Tatsächlich war das eines der ersten Dinge, die mir beim Wechsel zur zuckerfreien Ernährung auffiel. Die Mülltonnen waren nicht mehr so schnell voll. Zum einen natürlich, weil wir wesentlich weniger Zeug in Verpackungen kauften. Zum anderen war aber auch der Biomüll deutlich leerer – und das, obwohl wir so viel mehr Gemüse aßen. Der Grund: Ich verwende die Küchenreste weiter. Es ist mir inzwischen zuwider, Nahrungsmittel und Nährstoffe zu verschwenden. Man könnte sagen, Sarah Wilson hat mir mit ihrem „sustainable food“ bzw. „no food waste“ Ansatz gehörig den Kopf gewaschen.

Beispielsweise friere ich jetzt die Knochen eines Suppenhuhns ein und verwende sie später, um daraus Hühnerbrühe zu machen. – Dabei kam für mich Brühe sonst immer aus dem Brühwürfel… Küchenabfälle, wie Schalen oder Strunk vom Gemüse sammle ich in einer Tüte im Tiefkühlfach. – Der Ort, an dem ich früher Frosta-Fertigmenüs lagerte…

Wenn genug Küchenreste zusammengekommen sind, bereite ich daraus zuckerfreie Brühe. Da ich immer einen großen Topf Brühe koche und natürlich nicht sofort mehrere Liter Brühe benötige, friere ich anschließend den Großteil ein. So ist die Brühe schnell verfügbar und frisch, wenn ich sie brauche. Ein großartiger Tipp aus dem Buch war, kleine Portionen in der Eiswürfelschale einzufrieren und dann auch kleinste Portionen vorrätig zu haben. Übrigens, die Gefriertüten kann man super waschen und wiederverwenden.

Das Grün von Radieschen verwende ich am liebsten in Smoothies. Im Bild erkennt man gut mein Mengenverhältnis für Smoothies: wenig Frucht und viel Gemüse (hier Radieschenblätter):

Der Großteil meiner Smoothies besteht aus Grünzeug
Die Blätter eines Bunds Radieschen und etwas Frucht

Das Prinzip #nofoodwaste bringt die #zerowaste Bewegung auf ein neues Level. Und es fühlt sich richtig an, die Nährstoffe aus „Abfall“ zu nutzen, statt wegzuschmeißen. Aus Kohlrabiblättern oder Karottengrün fermentiere ich zum Beispiel Pesto. Ja genau. Fermentieren. Mit Bakterien und so. Hab’ ich doch gesagt, dass die zuckerfreie Ernährung alles auf den Kopf gestellt hat.

Upcycling von Nahrungsmitteln? Das nennt man fermentieren

Erinnerst Du Dich an die Molke, die ich aus Joghurt hergestellt habe? Sie ist der Starter für meine Fermente. Fermentation bzw. Milchsäuregärung kennt man vielleicht am ehesten aus der Sauerkrautherstellung. Dabei werden die Kohlehydrate im Weißkohl von den Bakterien unserer Luft in Milchsäure umgewandelt. Das entstandene Ferment, also das Sauerkraut, ist durch die Arbeit der Bakterien vitaminreicher geworden und dazu länger haltbar.

In Simplicious ist ein ganzes Kapitel der Fermentation gewidmet und viele Rezepte verlangen nach einem Ferment. Aber ganz ehrlich, ich habe mich eine ganze Weile nicht an das Kapitel „Fermented Foods“ herangetraut. Da soll man Gemüse klein hexeln und dann mit Molke oder Salz versehen ein paar Tage bei Raumtemperatur fermentieren lassen… Say what?! Das klingt gefährlich. So ein bißchen nach Lebensmittelvergiftung. Aber dann habe ich doch einen Versuch gewagt und ging unter die Bakterienzüchter. Und ganz ehrlich: es ist easy peasy! Eigentlich logisch, denn die Milchsäuregärung ist eine jahrhundertealte Technik, die es in der einen oder anderen Form überall auf dem Globus gibt: Tempeh (fermentierte Sojabohnen), Kefir, Sauerkraut, Kimchi. Alles Fermente.

Schnell wurde ich zum Fermentationsprofi und stellte zusammen mit meinen Freunden den Milchsäurebakterien alles mögliche her: fermentierte Mayonaise, fermentierter Senf, fermentierte Kurkumapaste, fermentierter Knoblauch und natürlich die Klassiker Kimchi, Sauerkraut und Kombucha.

Auch Getreide und Hülsenfrüchte kann man fermentieren und dadurch nahrhafter und bekömmlicher machen. Wie zum Beispiel Sauerteig, ein Ferment für die Brotherstellung, das Getreide bekömmlicher macht. Alle Welt redet von Superfoods und verkauft sie hübsch verpackt in Health Food Stores. Aber die wahren Superfoods fermentieren still und leise und supergünstig auf unserer Küchenarbeitsplatte. Aber ich weiß, die Sache mit dem Fermentieren klingt erstmal total abgefahren. Darum wenden wir uns etwas zu, was Dir wahrscheinlich viel vertrauter ist:

Alkohol! Gibt es den zuckerfreien Rausch?

Zuckerfrei leben heißt nicht Verzicht auf alles
Zum Glück: Bier ist fruktosefrei.

Seien wir doch mal ehrlich: auf Süßigkeiten verzichten ist jetzt gar nicht soooo schwer. Aber nie wieder ein Glas Wein zum Abendessen? Kein Bier in der Disco? Kein Cocktail mit Freunden? Äh nee, also da hört der Spaß auf. Deshalb relax, everybody! Der Alk darf bleiben! Ich konzentriere mich nur einfach auf die zuckerärmeren Varianten. Also Rotwein, statt Weißwein. Oder noch besser: Bier. Das ist nämlich fruktosefrei. Wer’s härter will: Gin, Wodka und Whisky haben nur wenig Fruktose. Man darf sie halt nur nicht mit Fruchtsäften oder Limos zu pappsüßen Cocktails mixen. In Simplicious gibt’s auch ein paar Rezepte für Drinks. Sympathisch, die Autorin.

Und was ist mit Nachtisch? Gibt’s jetzt nie wieder Süßes?!

Sarah Wilson sagt, ihr Verleger hätte sie dazu gezwungen, das Kapitel über Nachtisch und Süßes zu schreiben. Als Zuckerersatz verwendet sie dabei Reissirup oder Stevia. Beides ist fruktosefrei. Trotzdem rät sie, es nur in Maßen zu verwenden. Mich hat das Desserts-Kapitel nicht interessiert und deshalb hatte ich über Monate nichts daraus gemacht. Bis unser jährliches Weihnachtsessen mit der Großfamilie anstand. Großmütig kündigte ich an, ich würde super-leckeres fruktosefreies Dessert mitbringen. In meiner Vorstellung malte ich mir aus, wie baff sie alle sein würden. Wie großartig es allen schmecken würde. Fortan würden alle – inklusive der Kinder – nie wieder Zucker essen wollen. Heute bin ich froh, dass sie mich nicht direkt von der Festtafel davongejagt haben. Es schmeckte grauenvoll. Dabei hatte ich extra zwei verschiedene Desserts gemacht. Falls eines nicht so lecker wäre. Und dann waren sie beide scheußlich. Der Miso-Walnuss-Kuchen war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Ich meine, warum sollte man Miso – eine Paste, die an Maggi erinnert –  in einen Kuchen geben? Das andere waren selbst gemachte Gummibärchen aus Mango und Kokos. Klingt super, is aber bäh. Zum Glück war direkt im Anschluss an das Dessert-Desaster die Bescherung. Geschenke auspacken war die perfekte Ablenkung von der Trauer um den entgangenen Nachtisch. Seither habe ich das Kapitel über Nachtisch und Süßes nicht mehr aufgeschlagen und vermute, es ist Sarah Wilsons heimliche Rache an ihrem auf Nachtisch pochenden Verleger. Aber um das ganze positiv zu beenden: die restlichen Rezepte des Kochbuchs schmecken fantastisch! Und ja, ich habe in dem Jahr tatsächlich fast alles auf den deutlich über 300 Seiten zubereitet!

Aber was ist mit dem Genuss? höre ich jetzt manche Fragen. Wo bleibt denn der Genuss und die Freude, wenn man gar keinen Zucker mehr isst? Das erinnert mich an meine Zeit als Raucherin. Damals, vor über 20 Jahren, habe ich zwei Schachteln am Tag geraucht und war der festen Überzeugung, dass ich gerne rauche. Wo bliebe denn der Genuss, wenn ich aufhören würde? Der Spaß, die Freude! All die Nichtraucher, sie wissen ja gar nicht, was ihnen entgeht! Heute weiß ich: die Nikotinsucht hatte mich so denken lassen. Das Hoch, das ich beim Rauchen hatte, verspürte ich nur deshalb, weil der Nikotinspiegel in meinem Körper gesunken war und es sich erstmal wieder gut anfühlte, wenn ich die Droge wieder konsumierte. Der Clou: Nichtraucher verspüren ständig dieses Hoch, weil sie nie mit einem sinkenden Nikotinspiegel zu kämpfen haben. Mit dem Zucker verhält es sich ähnlich. Ist man erstmal von der Droge runter, kann man nicht mehr nachvollziehen, warum man Genuss und Freude damit verbindet, etwas zu sich zu nehmen, das dem eigenen Körper so schadet. Daher nein, Genuss ist für mich nicht mehr an Zucker geknüpft. Das Gegenteil ist der Fall.

Ein Jahr zuckerfrei – wie geht’s weiter?

Biowildkräuter vom Wochenmarkt
Wildkräuterliebe auf dem Nürnberger Markt.

Zuckerfrei leben ist keine Diät. Es ist eine Art, ohne industriell hergestellte Lebensmittel zu leben. Man ißt einfach keinen Müll mehr. Man ißt so, wie unsere Urgroßeltern gegessen haben, ehe die Lebensmittelindustrie Dinge in Plastik und Boxen verpackte. Vor hundert Jahren aß man etwa 1 kg Zucker im Jahr. Heute sind es durchschnittlich 60 kg Zucker im Jahr. Und jetzt, da ich mit dem Zucker aufgehört habe, gibt’s für mich kein Zurück mehr. Ich kann all das, was ich in dem Jahr gelernt habe – über Ernährung, über Lebensmittel und ihre Zubereitung, über meinen Körper und was er braucht – all das kann ich nicht mehr verlernen. Für mich ist die zuckerfreie Ernährung der Weg in ein neues Lebensgefühl, eine neue Art zu kochen und mich gesünder zu fühlen. Und dabei erschlossen sich weitere Themen, die ich anfangs nicht vermutet hätte: Nachhaltigkeit, Müllvermeidung, Ehrfurcht vor dem Leben und den Tieren, die auf meinem Teller landen – und Begeisterung für die Lebensmittel, die die Natur für uns bereit hält. Just eat real food.

Nicht verpassen: In Teil 3 meines Erfahrungsberichts über zuckerfreie Ernährung stelle ich ein paar Inspirationen, Küchenhelfer, Produkte und Adressen vor, die mir den Start ins zuckerfreie Leben echt erleichtert haben. Unbedingt lesen!

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6 Gedanken zu “Wie zuckerfreie Ernährung mein Leben verändert hat (Teil 2)

  • Birthe

    Sehr schön geschrieben, so dass ich Lust kriege, es auch mal zu probieren!
    Ich ziehe auf jeden Fall meinen imaginären Hut, dass du es durchziehst!

  • Regina

    Vielen Dank für den hochinteressanten Bericht. Ich habe Teil 1 gelesen und war v.a. wegen des niedrigen Eisenwerts weiter sehr an der Fortsetzung Ihrer Erlebnisse interessiert, mir geht das nämlich genauso.. ich bin aber noch da, wo Sie auch waren: in der kurzmal Zucker-weglass-Phase…. ich finde es spannend, wie Sie berichten und wünsche Ihnen weiter gute Ergebnisse. Danke auch für die eigenen Küchenberichte, die man sonst in anderen Blogs nicht unbedingt so liest. Und wie gesagt: das mit dem Eisen gibt mir zu denken, mein Wert ist immer niedrig, meine Ernährung war vegan und fructosereich..und ich war immer müde… passt irgendwie zu Ihren Erfahrungen, finde ich.

  • Karin Autor des Beitrags

    Hallo Regina, herzlichen Dank für Ihr Feedback! Ja, das mit dem gestiegenen Eisenwert war/ist wirklich ein großer Gewinn! Parallel zur Ernährungsumstellung habe ich auch auf ausreichend Vitamin D geachtet, denn der Wert war ebenfalls im Keller. Im Web habe ich inzwischen Hinweise dazu gefunden, dass beides, Verzicht auf Zucker und ausreichend Vitamin D den Eisenwert normalisieren. Viel Erfolg auf Ihrem Weg! Dranbleiben, es lohnt sich!

  • Karin Autor des Beitrags

    Hallo Birthe, vielen Dank für Deine Rückmeldung! – Klaro, starte doch einfach mal mit einem Monat ohne Zucker. Du wirst sehen, wenn man tolle Rezepte hat klappt das echt gut sobald man mal drin ist! Viel Spaß und guten Appetit!

  • Julia

    Isst Du auch keinen natürlichen Zucker aus reifen Früchten/Obst? Was ist mit komplexen kohlenhydraten aus Süß/Kartoffeln, Buchweizen, etc?

  • Karin Autor des Beitrags

    Hallo Julia, ich esse maximal 1-2 Stück Obst täglich und hole mir meine Nährstoffe lieber von Gemüse. Da ist weniger Fruktose drin und eine Menge Vitamine. Süßkartoffeln, Kartoffeln und Buchweizen esse ich. Nicht so viel wie Gemüse, aber ist auf jeden Fall ab und zu auf meinem Speiseplan. Liebe Grüße!